12. Tag - Cairns
Daintree Nationalpark



Daintree Nationalpark

Vom Cape York im Norden bis hinab nach Canberra und Melbourne trennt das große Scheidegebirge (Great Dividing Range) die ganze östliche Küstenregion und das aride Inland. Vom Pazifik andrängende Wolken regnen an seinen Osthängen ab. Für die Westhänge und die endlosen Steppen und Wüsten des Outbacks bleiben nur die trockenen Fallwinde. Die fruchtbaren Böden des regenreichen Küstenstreifens lockten bereits früh Einwanderer an, die das Land rodeten und nach europäischem Vorbild landwirtschaftlich erschlossen. Geschützt in Nationalparks existieren aber immer noch weite Areale unberührter Wälder und savannenähnliche Landschaften. Dabei spielt vor allem die Regenmenge neben der Höhenlage die gestaltende Rolle. Ab etwa hundertfünfzig Zentimetern Jahresniederschlag entsteht lockerer Baumbestand mit wenigen Arten. Vier Meter Regen und mehr sind nötig, um die dichten, artenreichen Urwälder wachsen zu lassen, die man hier auf den fruchtbaren Böden des Daintree Nationalparks bestaunen kann.

Diese Wälder sind sehr alt. Vor Millionen und Abermillionen von Jahren, lange bevor die ersten Menschen den Kontinent betraten, begannen sich diese Lebensgemeinschaften zusammenzuraufen. Sich verändernde Umweltbedingungen löschten immer wieder ganze Biotopverbände aus und andere Gemeinschaften füllten die freigewordenen Nischen. Allianzen entstanden und Abhängigkeiten, Schmarotzer, Parasiten und Fressfeinde setzten den Pflanzen zu. Die hielten dagegen mit Selektion und Anpassung, mit Gift und Dornen. Das chemische Potential das sich dabei entwickelte ist beeindruckend. So fand man kürzlich in den Samen eines Baumes, dem Black Bean (Castonos peranum) ein wirksames AIDS-Medikament. Die praktische Anwendung wird aber noch dauern - der Baum ist sehr selten und die Synthese noch nicht gelungen. Pragmatisch und amüsant dagegen die Variante die der Regenschirmbaum (Schefflera actinophylla) - er schmarotzt auf Wirtsbäumen - für sein Fortpflanzungsproblem fand. Zur Bestäubung seiner Blüten braucht er die Hilfe von Vögeln. Er lockt sie mit einem sehr großzügigen Nektarangebot. Die zuckerhaltige Flüssigkeit vergärt aber in der Hitze regelmäßig zu Hochprozentigem, was aber seiner Beliebtheit keinen Abbruch tut. Mit schöner Regelmäßigkeit kann man deshalb an warmen Tagen eine krakeelende und herumpöbelnde Vogelmeute in den Baumkronen beobachten, die ihren Rausch auslebt.

Die Aborigines nutzten viele Besonderheiten und Inhaltsstoffe der Gewächse und entdeckten in den 50.000 Jahren ihrer Geschichte Staunenswertes. So kannten sie zuletzt etwa 200 verschiedene essbare Pflanzen. Viele davon erfordern eine Spezialbehandlung wie wässern, abkochen, mazerieren, im Feuer rösten oder alles zusammen. Für das medizinische Wissen mag ein Beispiel stehen: Die Frauen wussten um die Giftigkeit der Keulenlilie (Cordyline australis), lernten aber sie als Ovulationshemmer zu nutzen. Sie pflückten aus den großen Fruchtbüscheln eine handvoll Beeren und warfen sie einzeln ins Wasser. Die schweren, die untergingen waren zu giftig. Die schwimmenden, weniger giftigen, verschluckten sie unzerkaut und wurden dadurch für den laufenden Menstruationszyklus unfruchtbar. Der Eisenholz-Baum (Metrosideros excelsa), die Aborigines nannten ihn Pohutukawa, diente dem selben Zweck. Die Frauen stellten sich in den Rauch des schwelenden Holzes. Die gewünschte Wirkung hielt einige Tage an. Bei mehrfacher Räucherung pro Tag wurden sie auf Dauer unfruchtbar. Männer sterilisierten sich mit einem Baststückchen des Baumes, das sie durch einen kleinen Schnitt in den Genitalbereich einführten.

Aber auch die Tiere nutzten ihre Zeit. So lernten etwa die Kasuare das Fischen. Die großen Laufvögel setzen sich dabei auf die abgewinkelten Beine gestützt so in seichtes Wasser, dass die flaumigen Bauchfedern locker im Wasser schweben. Kleine Fische nehmen gerne die vermeintlich gute Deckung an und schwimmen zwischen die Federn. Der Vogel erhebt sich nun vorsichtig und die Federn schließen sich um die Fischchen. Draußen am Land wird das Gefieder kräftig ausgeschüttelt und die zappelnde Beute vom Boden aufgepickt.

Mit den Siedlern kamen auch tierische und pflanzliche Emigranten: Die Haustiere mit den neuen Herren ebenso, wie die Ratten aus den Winkeln ihrer Schiffe. Später versuchte man privat, aber auch unter staatlicher Federführung, gezielt Pflanzen und Tiere in die freie Natur einzubringen. Das ging aber stets zu Lasten der heimischen Flora und Fauna. In einzelnen Fällen entwickelten sich Auswilderungen zur Umweltkatastrophen, wie die Kaninchenplage in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Es war Thomas Austin, einer der ersten Siedler in Victoria, der im Jahre 1859 auf seinem Land bei Geelong vierundzwanzig Kaninchen freiließ. Die possierlichen Hoppler hatten in den neuen Revieren keine natürlichen Feinde und vermehrten sich zu apokalyptischen Massen. Hundert Jahre später überschwemmten mehrere Milliarden dieser Tiere den Kontinent und fraßen ganze Landstrichen kahl. Nach vielen erfolglosen Versuchen der Plage Herr zu werden gelang in den Jahren 1950 bis 1952 der Durchbruch. Man infizierte großflächig die Population mit Myxomatose, einer als Kaninchenpest bekannten Viruserkrankung. Die Erreger befallen nur Kaninchen und töten die Tiere in wenigen Tagen. Drei Jahre genügten um 99% des Bestandes zu vernichten.

Von einem derartigen Erfolg bei der Lösung eines ähnlichen Problems kann das Land zur Zeit nur träumen. 1935 führte die Regierung 102 Agakröten (Bufo marinus) aus Venezuela ein. Sie sollten den Zuckerrohrzünsler (Diatraea Saccharalis) dezimieren, dessen Raupen in den Stangen des Zuckerrohrs schmarotzen. Wie erhofft, fraßen die Neubürger durchaus auch die kleinen Schmetterlinge, aber viel lieber alles Andere was ihnen vor das breite Maul lief. Die Amphibien wurden zur Landplage. Sie erweitern ihren Lebensraum jährlich um 1,3 km. Aktuell bedrohen sie den Kakadu Nationalpark mit dem Untergang dessen artenreicher, sensibler Fauna. Die beiden bläulich schimmernden Giftdrüsen seitlich am Hals machen sie zum tödlichen Happen für Fressfeinde. Selbst Krokodilen droht ein rascher Tod durch Herzversagen sollten sie einen der bis 26 cm langen und 2 kg schweren Lurche verschlingen. Nur sehr wenige Tierarten lernten inzwischen mit den Kröten fertig zu werden. Einer Eulenart gelang das. Die Vögel drehen die Giftbomben auf den Rücken und fressen sie von der Bauchseite her aus. Die Haut, besonders die gefährliche Rückenhaut wird als ungenießbarer Abfall verschmäht. Auch ein Wasserfrosch (Litoria dahlii) profitiert von dem unbotmäßigen Neubürger. Er frisst ohne erkennbaren Schaden die ebenfalls giftigen Kaulquappen der Agakröte. Von einem künstlich vermehrten Virenstamm der die Tiere in großem Umfang vernichten sollte, blieb am Ende nur eine weitere enttäuschte Hoffnung. Die Regierung versucht es zur Zeit mit einem Ideenwettbewerb. 15.000 australische Dollar winken dem Erfinder der wirksamsten Krötenfalle. Etwas Positives über die Viecher? Gar nicht so einfach. Aber immerhin, ihr Gift ist pharmazeutisch interessant und ihre Haut lässt sich zu recht brauchbarem Leder gerben. Ob aber dereinst Damenhandschuhe ausgerechnet aus Krötenleder der Hit werden?


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