14. Tag - Alice Springs
In der Stadt - The Ghan - Desert Park



In der Stadt, The Ghan
Desert Park


In der Stadt
Hier fand Stuart dereinst die einzige Süßwasserquelle weit und breit. Hier öffnete sich auch die einzige, mit Planwagen befahrbare Passage durch den gewaltigen Sperrriegel der Mc. Donnell Ranges, einem 530 km langen und bis zu 1.510 m hohen Gebirgszug aus stark verwittertem, rotem Granit. Die Siedlung entwickelte sich um eine 1872 errichtete Relaisstation der Telegraphenleitung, mit der man die aufstrebenden Städte an der Südküste mitten durch das Outback und weiter über Indonesien, Asien und Europa mit der Kolonialverwaltung in London verband. Stuart Town, wie sich die Siedlung zu Ehren John McDouall Stuarts bis 1933 nannte, blieb ein verschlafenes Nest mit kaum 200 Bewohnern. Bergbau und die extensive Rinderzucht auf den riesigen Farmen des Umlandes - manche bewirtschaften bis heute 10.000 km² und mehr - bildeten die Lebensgrundlage seiner Bewohner. Daran änderte sich fünfzig Jahre lang wenig, bis dann1929 die Eisenbahn das Dorf erreichte. Man nannte sie nur "The Ghan" und sie war der Startschuss zur Entwicklung der Stadt, so wie wir sie heute kennen.

"The Ghan", der Name erinnert an die afghanischen Kameltreiber, die bis zur Fertigstellung des Schienenstranges mit ihren Karawanen, dem Af-"ghan"-istan Express, den gesamten Warenverkehr durch das Outback bewältigten. Die Züge erreichten 1929 Alice Springs. Wirtschaftlich und mit den Einwohnerzahlen ging es in der Folge steil bergan. Da störten auch die Schwierigkeiten mit der Schienentrasse nicht sonderlich, auch wenn schon mal die Passagiere aus der Luft versorgt werden mussten, weil der Zug mitten in der Wüste feststeckte. Buschbrände und Termiten setzten den hölzernen Schwellen zu. Vor allem aber rechnete niemand mit Hochwasser in dem ausgeglühten Land, bis in apokalyptischen Gewitterstürmen Brücken und ganze Streckenabschnitte im wahrsten Sinne des Wortes den Bach runtergingen. Die Unzuverlässigkeit durch die häufigen Schäden und die Kosten der Instandhaltung wurden aber so gravierend, dass man sich etwa 150km weiter westlich, auf höher gelegenem Gelände, zu einem Neubau entschloss. Die Ingenieure nutzten auch die Gelegenheit von der alten Schmalspur auf die internationale Normalspur umzusteigen. Ab 1957 plante und baute man dann an der Verbindung von Alice Springs mit der Nordküste. Seit dem 2. Februar 2004 ist die Strecke von Darwin nach Melbourne, bzw. Sydney, durchgehend befahrbar. Mit ihren 2.979 km gehört sie zu den längsten der Welt und erfreut sich großer Beliebtheit bei Touristen und Eisenbahnfans.

Alice Springs hat inzwischen 27.000 Einwohner aber immer noch liegt die Stadt wie eine Insel inmitten von 2,5 Millionen km² fast menschenleeren Outbacks. Es sind unverändert 1.500 km Busch und Wüste bis zur nächste namhaften Siedlung. Von Pionier-, Digger- und Truckerromantik ist aber nichts mehr geblieben. Danach müsste man schon in einem der Museen nachschauen, wie etwa in der liebevoll restaurierten, alten Telegrafenstation. Die Stadt hat jetzt McDonald's und Parkprobleme, Rush Hour und ihre Todd Mall, eine Fußgängerzone mit Geschäften, Lokalen und sogar bewässerten Grünanlagen, und das trotz der Probleme mit der Wasserversorgung. Es wird seit Jahren zu viel Wasser verbraucht, der Grundwasserspiegel sinkt immer tiefer. Eine Süßwasserblase, die die ursprünglich artesische Quelle speiste, ist weitgehend abgepumpt und im nachströmenden Tiefenwasser erhöht sich der Salzgehalt kontinuierlich. Das Trinkwasser kommt inzwischen aus 25 m Tiefe und muss kostenintensiv entmineralisiert werden.

Wirtschaftlich spielt der Fremdenverkehr seit Jahren eine immer wichtigere Rolle, und die Stadt hat sich und ihr Umland darauf eingestellt. Ob Shirt mit passendem Aufdruck oder bemalte Didgeridoo, ob der original Outbackhut oder ein Bestimmungsbuch für heimische Blumen, es ist alles da was der moderner Tourist so braucht oder zu Hause vergessen hat. Die Speiselokale sind allabendlich ausgebucht. Auch viele Einheimische schätzen es, bequem außer Haus zu speisen, wie wohl auch die meisten der 400 Amerikaner, die in der Stadt wohnen und etwas außerhalb - hermetisch abgeschottet - am Pine Gap arbeiten. Die USA unterhalten dort die größte Abhör- und Kommunikationsbasis weltweit. Via Satellit steuerte 1991 von hier aus das US-Militär im Golfkrieg Truppenbewegungen, Raketenangriffe und die Bomberflotten.

Sehenswürdigkeiten sind in der Stadt eher dünn gesät. Immer lohnend ist der Blick vom Anzac Hill über die Stadt zu der Kette der McDonnell-Ranges mit dem markanten Einschnitt, dem Alice Springs die Entstehung verdankt. Meist brennt auch irgendwo im Umland der Busch, und Rauchwolken verdunkeln den Horizont. Die Gebäude erheben keinerlei architektonischen Anspruch. Man könnte aber bei der "School of the Air" vorbeischauen. Als bekannteste der 13 im Outback tätigen Grundschulen erreicht sie mit Ultrahochfrequenzradio die auf den großflächigen Farmen verstreut lebenden Kinder. Das "Klassenzimmer" erstreckt sich über ein Gebiet von 1,3 Millionen km². Oder man besucht den "Royal Flying Doctor Service" der ein ähnlich großes Gebiet medizinisch betreut. Die großen Kuhfarmen hier wurden übrigens auf recht maskuline Art parzelliert: Das Land das ein Mann in drei Tagen und drei Nächten umreitet ist sein Land. Es gibt immer noch Farmen die sind 12.000 km² groß. Da ritten dereinst zwei Brüder in entgegengesetzter Richtung und trafen sich rechtzeitig wieder. 1 ha des trockenen Landes ist nötig um eine Kuh zu ernährt.

Einmal im Jahr aber, immer Anfang August, tanzt auch hier der Bär. Im Flussbett des Todd River ermitteln die Teilnehmer der "Henly on Todd Regatta" in selbstgebauten Booten ihre Besten. Skurrile, fantasievolle, verrückteste Gefährte treten an. Zum Finale bekämpfen sich zwei Mannschaften mit Mehlbomben und Wasser aus Garten- und Feuerwehrschläuchen von zwei besonders großen Schiffen aus, die wenn möglich noch grotesker konstruiert sind als die kleinen. Dass der Todd River um diese Zeit - wie eigentlich fast immer - keinen Tropfen Wasser führt stört nicht sonderlich. Den Booten fehlen die Böden, da schauen unten die Füße der Teilnehmer heraus - ist eben ein richtiges "Rennen" das man sich hier liefert. Das Fest steigt regelmäßig, es musste bisher nur zweimal abgesagt werden, beide Male wegen Regens.

Der Desert Park
Den Wüstenpark sollte man sich aber auf keinen Fall entgehen lassen. Über 1½ km führen Wege durch verschiedene Wüstenhabitate, mit einigen spektakulären Pflanzen. Etwa leuchtend schwarz-rot blühende Wüstenerbsen (Sweinsona formosa), die 1699 durch den Piraten William Dampier erstmals nach England gelangten. Oder die Spiegeleierdaisy (Myriocephalus stuartii), deren Blüten sich alle Mühe geben, ihrem Namen gerecht zu werden. Verrückt auch die „Bush Coconuts“. Die dicken, steinharten Klumpen in den Zweigen eines als „bloodwood“ bekannten Eukalyptusbaumes (Corymbia opaca) sehen zwar nicht unbedingt wie Kokosnüsse aus, aber essbar ist ihr Inneres allemal. Es handelt sich dabei aber um die recht großen Larven einer Gallmücke (Sthenopsis argenteomaculatus), die sich in den Wucherungen, den Gallen, entwickeln und bei der Urbevölkerung als Leckerbissen galten. Interessant auch der unscheinbare recht häufig vorkommende Witchetty Busch (Acacia kempeana). Im inneren großer Wurzelgallen schmarotzen die fingerlangen, bis 2 cm dicken Maden eines Schmetterlings, des Ghost Moth (Sthenopsis argenteomaculatus). Es sind gewissermaßen die „Schrimps“ der Aborigines. Lebendig verspeist erinnern diese „Witchetty Grubs“ an Butter oder Eiweiß. Zur Delikatesse geraten sie durch garen in heißer Asche. Knusprig gebraten schmecken sie ganz zart nach Mandeln - sagt man.

Am "Exhibitions Center" dann eine imponierende Vogelschau. Auf Zuruf fliegen scheinbar wild lebende Vögel irgendwo im Gelände auf, und nehmen Kurs auf ihren Trainer vor der Tribüne mit den Besuchern. Auch ein Pfeilschwanzadler verlässt seinen Ansitz in einer Baumkrone und schwingt sich fotogen auf einen krummen Pflock unmittelbar vor dem Publikum. Es erfordert schon genaues Hinschauen, will man das dünne Drähtchen an seinem Fuß erkennen. Es ist die Antenne eines winzigen Funkgerätes, über das er seine Regieanweisungen erhält. Im Gebäudeinneren informieren Installationen und Schaubilder über die Geologie und das Leben in der Wüste. Dornteufel, Schlangen und die großen Geisterfledermäuse bewohnen großzügige Terrarien. Zum Abschluss eine fulminante Multimediashow: Ein Kaleidoskop eindrucksvoller Bilder huscht über die raumfüllende Riesenleinwand. Der Film erzählt in Zeitraffer die Geschichte Australiens von seinen Wurzeln im Godwanaland bis in die Gegenwart.


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