14. Tag - Alice Springs
Im West McDonnell Ranges National Park



Glen Helen Homestead
Standley Chasm
Ormiston Gorge mit dem Ghost Gum Lookout


Im West McDonnell Ranges National Park halten sich im Schutze tiefer Schluchten Wasserlöcher, die selbst in heißen Sommern nicht austrocknen. Isoliert wie auf Inseln überleben in diesen Nischen Pflanzen, wie etwa der Palmfarn (Cycas armstrongii), die man ringsum in der kümmerlichen Trockenvegetation auf 1.000 km und mehr vergeblich suchen wird. Es sind Relikte einer längst vergangenen Epoche, als Dank ergiebiger Niederschläge, eine offene Savanne mit Bauminseln und Gras die Flächen bedeckte. Spektakuläre Landschaftsbilder und die Traumzeitlegenden der Urbevölkerung, die um solche Plätze ranken (mehr aber wohl deren spirituelle Verklärung in den westlichen Fantasien), machen die Region zu einem beliebten Touristenziel. Dass viele der Attraktionen bequem mit dem PKW erreichbar sind, erhöht ihre Popularität nicht unerheblich.

Im Glen Helen Homestead kann man sich kulinarisch stärken und dann durch das kiesige Trockenbett des Finke Rivers zu dessen Schlucht wandern. Der Fluss hat hier den Felsriegel der McDonnell-Ranges durchbrochen. Folgt man den Mythen des hier lebenden Arandastammes und deren Vorstellungen vom Anfang der Welt, dann sind die wuchtigen, steilen Wände ringsum nur der passende Rahmen für das ungewöhnlich tiefe Wasserloch, das einen alten Strudeltopf füllt. Aus seiner dunklen Tiefe, einer Wohnstätte der Regenbogenschlange, krochen dereinst erste, gestaltlose Wesen der Traumzeit.

Die Standley Chasm ist zweifellos die spektakulärste unter den Schluchten hier draußen. Als hätte eine titanische Gottheit mit einem Beilhieb die Felsen gespalten, stehen sich im Zentralbereich des Einschnittes fast hundert Meter hohe, rote Granitwände auf fünf bis neun Meter Distanz gegenüber. Ein Flöz aus weichem Gestein (Speckstein), das ursprünglich den Raum zwischen den Felsmauern lückenlos füllte, hat der Hugh River im Laufe von Jahrmillionen bis auf den Grund der Klamm ausgewaschen und fortgespült. Den Boden der Schlucht - und damit natürlich auch die Sohle des Flusses, wenn er denn Wasser führt - ebnet weißer Kies zu einem bequemen Weg. Die hellen Steine, das Verwitterungsprodukt der Specksteinschicht, stehen in reizvollem Kontrast zu den satten Rottönen der Wände, zumal der Schotter völlig übergangslos, wie nachträglich reingekippt den freien Raum füllt. Wie ein Fremdkörper schlängelt sich das abgeschwemmte Sediment als helles Band das Flussbett hinab, vorbei an dickstämmigen Flusseukalypten und Palmfarnen durch den Ausgang des Canyons und noch ein gutes Stück weiter in das flache Land hinein. "Standley Chasm", der Name der Schlucht geht übrigens auf die erste Lehrerin in Alice Springs zurück. Die Dame hieß Ida Standley. Warum man die aufregend schöne, enge Felsspalte mitten in der Wildnis nach ihr benannte? Ich weiß es nicht - konnte es auch nicht recherchieren.

Die Ormiston Gorge, vor allem das große Wasserloch am südlichen Ende der Schlucht, ist schon ein malerisches Fleckchen. Helle Kiesbänke säumen das dunkle Wasser und im Halbrund berühren die hohen, bunten Felswände den Himmel. Ocker, schwarz, rot, grau, blau, wechselnde Mineralien malen Schlieren und Flächen in die Steine. Überall, selbst in den steilsten Wänden, sprenkeln grüne Flecken verstreut stehender Büsche und Bäume die steinigen Flächen.

Der Ghost Gum Lookout, gute Hundert Meter hoch, beherrscht er die rechte Seite der Wasserstelle mit seiner beeindruckenden, senkrechten Felswand. Ein halbstündiger Trail lockt viele Touristen über die flachere Westseite auf den berühmten Aussichtspunkt, zu einen Rundblick über die Bergkette, die Schlucht und die roten Dünen der Halbwüste, die sich in der Unschärfe des Horizonts verlieren.

Für die Urbevölkerung war das ganze Ensemble ein Heiligtum von großer, spiritueller Bedeutung, und so manche mystizistisch orientierte Besucherin - es sind dies tatsächlich überwiegend weibliche Touristen - versucht heute die positive Lebensenergie die der Platz verspricht für sich zu gewinnen. Die Kenntnisse der mythologischen Zusammenhänge bewegen sich schon mal im Ungefähren, aber für den gefühlten Erfolg spielt es offenbar keine Rolle, wenn die Sehnsüchte in die falschen Details investiert werden.

Die Ahnen der Aranda, deren Nachfahren heute wieder dieses Gebiet gehört, beeindruckte nicht so sehr die Schönheit der Gegend und auch nicht das Wasserreservoir im austrocknenden Fluss. Die Magie begründeten dereinst einige Dutzend Quaderatmeter Gesteinsschutt am Fuß der Felswand. Grobblockige Geröllhalden wie diese hier gehören in allen Weltengegenden zu den trockensten und vegetationsärmsten Habitaten überhaupt. Umso verblüffender inmitten der erdrückenden Aridität ringsum die biologische Vitalität der kleinen Schotterfläche am Fuß des Lookouts. Normalerweise ein Platz für krüppelig verwachsene, kleinere Bäumchen die von einem auf das andere Jahr ums Überleben kämpfen. Hier stehen aber diese beiden vor Vitalität strotzenden Geistereukalypten (Eucalyptus papuana) mit ihren leuchtend weißen Stämmen und Ästen und dem üppigen Blätterschopf obendrauf. Die kennen keinen Mangel, nicht an Nährstoffen und schon gar nicht an Wasser. Eine Sickerquelle, die selbst in den härtesten Trockenperioden nicht völlig versiegt, mästet die Bäume. Auf den Hochflächen versickerndes Regenwasser fließt entlang geologischer Schichten tief im Innern der Erde, um dann nach Jahren oder Jahrzehnten hier durch feine Sprünge und Risse wieder aus dem Fels zu drängen. Mitgeführte Mineralien haben während archaischer Zeiträume im gesamten Quellbereich blaugrauen Sinter abgelagert. Als Menschen zum ersten Male hier auftauchten, tropfte das Wasser bereits seit zehntausenden von Jahren aus den Steinen und ist seither nicht mehr versiegt.

Die Härte der Wüste hat aber auch hier unübersehbare Spuren hinterlassen. Der Baum am Flussufer etwa, unter dem ich sitze, er trägt neben den strahlend weißen Ästen auch schwarze, abgestorbene - Reste von Selbstamputationen. In den Vergangenen Jahren versiegte wahrscheinlich mehrmals das Wasserloch völlig und der Boden trocknete metertief aus. Viele Pflanzen verdorren einfach wenn das verfügbare Wasser ein Minimum unterschreitet. Andere werfen die Blätter ab oder ziehen sich in unterirdische Knollen, Wurzeln oder Rhizome zurück. Viele Eukalyptusarten, vor allem aber die Flusseukalypten (Eucalyptus camaldulensis), kappen in solchen Extremsituationen die Wasserzufuhr ganzer Kronenteile. Die betroffenen Äste sterben in der Folge ab. Mumifiziert durch das trockene Klima bleiben sie oft jahrelang in den Bäumen sichtbar.


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