17. Tag - Alice Springs - im Red Center
Unterwegs in der Wüste



Buschfeuer
Regen in der Wüste
der Sternenhimmel


Buschfeuer
Es gibt so gut wie keine alten Bäume im Südwesten von Alice Springs. Buschfeuer gerieten im Jahre1983 außer Kontrolle und wüteten hier wochenlang. Nun sind Flächenbrände in dem trockenen Land nichts Besonderes. Vor allem um dem Jagdglück nachzuhelfen, fackelte die Urbevölkerung Jahrtausende lang alljährlich große Landstriche ab. Angelockt von frisch austreibendem Gras, zog vermehrt Wild auf diese deckungsarmen Flächen und konnte dort leichter gefunden und erlegt werden.

Die Aussicht auf frisches Gras für ihre Rinder ließ die Farmer, die neuen Herren des Landes, die bewährte Feuerkultur nahtlos fortführen. Mitte des letzten Jahrhunderts erreichten dann neue, aber nicht konsequent zu Ende gedachte Ideen in einer breiten Öffentlichkeit immer mehr Gewicht. Man wollte die Natur in einer möglichst unverfälschten Wildnis schützen und verteufelte unter anderem das regelmäßige Abflammen des Landes auf das Heftigste. Abgestorbene Pflanzen verrotten aber nur sehr langsam in dem ariden Klima. Totholz, dürres Gras, abgestorbene Kräuter und Blätter, knochentrockenes Futter für die Brände sammelte sich im Outback in wachsenden Massen. Eine weggeworfene Kippe, der Blitzschlag eines Trockengewitters, das Feuer eines leichtsinnigen Campers, zum Schluss genügte der sprichwörtliche Funke am Pulverfass, um die Feuerwalze zu starten. Die großen Mengen an Brennmaterial, die sich über die Jahre angesammelt hatten, entfachten Feuerstürme mit Temperaturen bis zu 1.000 Grad und darüber. In diesem Inferno verglühte alles was nicht fliehen konnte zu Rauch und Asche, selbst die Stämme Jahrhunderte alter Wüsteneichen (Grevillea striata) samt ihrer dicken, normalerweise feuerfesten Borke. Mehr als 70 Menschen starben in den Flammen und viele Gebäude brannten nieder.

Alice Springs hatte Glück in all dem Unglück. Die Feuerwände rasten nach Süden und Südwesten durch relativ dünn besiedelte Gebiete Victorias und Süd-Australiens. Hätte die Feuerwalze den Ort getroffen, er wäre wohl bis zum letzten Schuppen niedergebrannt. Man reagierte dann auch sehr rasch und fackelte das Umland wieder weiträumig ab. Von den Dächern und Hügeln der Stadt sieht man alljährlich im August und September lange Rauchvorhänge, die den Horizont verdunkeln, und manchmal hängen Brandgeruch und Qualm tagelang in den Straßen der Stadt. Um diese Jahreszeit hemmt Restfeuchtigkeit im Boden die kontrolliert gelegten Brände. Kilometerlange Feuerlinien kokeln langsam durch Unterholz und trockenes Gras. Das angefallene Brennmaterial wird so beseitigt und kann sich nicht mehr gefährlich kumulieren.

Große Feuer, kleine Feuer - es sind immer Probleme der dort lebenden Menschen. Der Natur ist es egal. Sie hat die Brände längst als unverzichtbar in das Ökosystem integriert. In evolutionären Zeiträumen machten sich viele Pflanzen in fast symbiotischer Weise von ihnen abhängig, wie etwa die Wüsteneichen und Eukalypten. Die Samen dieser Bäume kommen erst frei, wenn die Hitze eines Feuers die sie schützenden Kapseln sprengt. Ohne bedrängende, vertrocknete Kräuter finden die Keimlinge in der aschegedüngten Erde ideale Startbedingungen.

Die Vitalität mit der sich die Pflanzen ihren Lebensraum zurückeroberten zeigen besonders augenfällig die Wüsteneichen (Grevillea striata). 20 Jahre nach ihrem Waterloo besiedeln sie wieder mit etwa 8 Meter hohen Bäumchen ihre alten Habitate. Dazwischen schmückt sich der roten Sand mit belaubten und blühenden Buschgruppen, Gräsern und einer überwältigenden Farbenpracht kurzlebiger Blumen.

Regen in der Wüste
Über einem begrenzten Gebiet nördlich und östlich der kleinen Siedlung Curtin Springs tobte vor kurzem ein gewaltiger Sommerzyklon mit riesigen Regenfluten. Inzwischen sieht man nicht mehr viel davon. Nur im Trockenbett des Finke-Rivers stehen noch größere, flache Tümpel. Ansonsten hat der Sand das ganze Wasser einfach verschluckt. Aber was für eine Metamorphose der Vegetation! Was für ein Kontrast zu der rappeldürren Landschaft um Alice Springs! Wir fahren hier stundenlang durch eine von Leben sprühende Wüste. Allgegenwärtig das silbrige Grün des Spinifexgrases (Triodia irritans), von dem behauptet wird, es bedecke mit seinen Büscheln 80% des Kontinents. Belaubte Büsche sammeln sich zu Gruppen, manche blühend wie der Honey Tree (Grevillea juncifolia), dessen Blüten ungewöhnlich viel Nektar produzieren. Man kann die klare, süße Flüssigkeit einfach abklopfen und die Tropfen von der untergehaltenen Hand ablecken. Die Cassien (Cassia) und die etwa siebenhundert hier vorkommenden Akazienarten (Acacia) haben es eiliger, die kurze Zeit zu nutzen, in der ausreichend Feuchtigkeit verfügbar ist. An den meisten dieser Büsche hängen bereits die reifenden Schoten. Den Ureinwohnern boten einige Akazienarten dereinst ein reichlich verfügbares Grundnahrungsmittel. Sie zerrieben die reifen Kerne und backten sie in heißer Asche zu Brot. Heute wie damals und all die Jahre und Jahrtausende davor besetzen die blühenden Kräuter den roten Sand zwischen den Büschen. Weiß, rot, gelb, blau, es sind eingestreute Polster oder ganze Gruppen die farbige Tupfer setzen. Manchmal dominieren die Blüten einer einzigen Art einige hundert Quadratmeter, oft wächst aber auch alles bunt durcheinander. Manche Pflanzen haben sukkulente Blätter um den Wasservorrat zu strecken. Für alle aber ist äußerste Eile geboten. Keimen, Blühen, Samenreife: Der Zyklus muss abgeschlossen sein, noch bevor in ein bis vier Wochen - je nach Wurzeltiefe der einzelnen Arten und dem verfügbaren Wasser - die große Dürre den Wurzelraum wieder erreicht. Voll ausgereifte Samenkörner überdauern im trockenen Sand oft jahrelang, bis ihnen ein neuer Regen eine neue Chance verspricht.

Der Sternenhimmel
"Durch die trockene, reine Luft über der Wüste strahlt der Sternenhimmel in einer Schönheit, wie man sie nur an wenigen Plätzen der Erde erleben kann", hat der Reiseführer versprochen.

Ich bin deshalb eigens noch mal aus dem heimeligen Schlafsack gekrochen. Die Glut des Lagerfeuers ist fast erloschen, die Mitreisenden in die Zelte verschwunden. Es ist vollkommen still geworden, kein Windhauch, kein Rascheln im trockenen Gestrüpp, kein Brummen irgendwelcher Motoren, nicht einmal dezentes Schnarchen dringt aus der Dunkelheit. Die Stille ist absolut, ungewohnt, beklemmend. Im warmen Sand liegend träume ich gedankenverloren in das faszinierende Lichtermeer über mir, in eine nie gesehene, kalt funkelnde Pracht.

Der nächtliche Sternenhimmel faszinierte die Menschheit wohl durch alle Epochen ihrer Geschichte - und ebenso lange kursieren die meist sakralen Deutungen, die das Firmament in die menschliche Fassbarkeit rücken wollen. Einige dieser Interpretationen errangen breite Akzeptanz, andere überlebten lange unter dem schützenden Mantel mächtiger Religionen. So etwa die Idee, dass es sich bei dem allnächtlichen Spektakel um Löcher im Himmelszelt handelt. Inzwischen hat diese Version wohl nicht mehr allzu viele Fans. Dafür feiert emotional gesteuertes, oft religiös verbrämtes Pseudowissen in den westlichen Kulturen fröhliche Urständ. Die Jünger der Astrologie zählen da gewiss zu den eher harmlosen Zeitgenossen, zumal sich ihr missionarischer Eifer stark in Grenzen hält. Irritierender ist da schon, dass selbst in unserem aufgeklärten Kulturkreis immer mehr bibeltreue Aktivisten offensiv die Überzeugung vertreten, dass die Welt von einem allmächtigen Gott in einem Schöpfungsakt gestaltet wurde. Die ganze Evolutionslehre samt Darwin und den Naturwissenschaften wird dabei als Unsinn, als Irrgaube abgelehnt. Beispielhaft die Information in einer kurzen Meldung der Süddeutschen Zeitung: Der ehemaligen Lehrerin Connie Morris (ihr Credo:"Die Evolutionstheorie ist ein altes Märchen") gelang als Entscheidungsträgerin im staatlichen Schulausschuss für Kansas-USA ein erstaunlicher Coup: Sie ließ mit einer 6-zu-4-Mehrheit Zweifel an der Richtigkeit der Evolutionstheorie in den Rahmenrichtlinien des Biologieunterrichts verbindlich festschreiben. Na ja, wenn es um den wahren Glauben ging, heiligte den Menschen schon immer der Zweck die Mittel.

Mitten in der Nacht, wache ich wieder auf und liege noch immer am Boden, so wie ich mich Stunden vorher hingefläzt habe. Nur friert’s mich jetzt ganz jämmerlich.


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