10. Tag - Insel Water Cay am Tobacco Reef
Man-O'-War Cay Bird Sanctuarity



Die Insel Water Cay am Tobacco Reef

Müde vom Schnorcheln, im Schatten einer Kokospalme in den tiefen, warmen Sand gefläzt, dösend zwischen Traum und Wirklichkeit. Am südlichen Ende des Tobacco Reefs das Eiland aus Korallensand, ein wunderschöner Flecken Erde.

Ein schnelles Boot hat uns in einer knappen Stunde die 20 km vom Festland herübergebracht auf diese einsame Insel, mit den Palmen im Sand und dem blassen Himmel über dem dunklen Meer. Draußen am Rand der Lagune brechen sich die anlaufenden Wellen an der Riffkante und zeichnen ein schäumendes Band in das blaue Wasser. Das zieht sich als unruhige, weiße Linie bis zum Horizont und macht so die enorme Ausdehnung des Riffs sichtbar. Vom Strand zur Riffkante sind es keine 100 m. Einige Minuten schwimmen und man ist mitten unter den bunten Fischschwärmen, den Muscheln, Barrakudas und den Papageifischen die mit ihren harten "Schnäbeln" von den Korallenstöcken die Polypen abknabbern.

Mit dem ausgedehnten Riffsystem vor seiner Küste, es ist nach dem australischen Great Barrier Reef weltweit das zweitgrößte, hat Belize ein attraktives Angebot für Tauchtouristen. Es war Jack Cousteau vorbehalten, in einer seiner Fernsehepisoden das Blue Hole, eine ganz besondere Attraktion Belizes dem breiten Publikum bekannt zu machen: Vom Flieger aus ist der tiefblauer, kreisrunder Fleck eines Einsturzkraters im Lighthouse Reef unübersehbar. Das Dach einer Höhle ist hier eingebrochen und hat das gewaltige Loch hinterlassen. Mit seinen 300 m Durchmesser und 125 m tiefen, senkrechten Wänden wurde es zu einem bevorzugter Tauchplatz mit abenteuerlichem Touch.

Das große Abenteuer finden Extremtaucher aber auf dem Festland. Die Ebenen zwischen den Bergen und der Küste durchziehen weitläufige Höhlensysteme. Es sind wassergefüllte Einsturzkrater dort wo Höhlendächer einbrachen, oft aber auch nur badewannengroße Wasserpfützen irgendwo im Regenwald die den Weg in eine fremde Welt öffnen: Unterirdische Flussläufe, Spalten und Klüfte durchziehen das Land kilometerweit. Wassergefüllt bis zur Decke und in absoluter Finsternis enden sie letztendlich wohl irgendwo an der Küste oder im Meeresboden - eine aufregende und risikoreiche Herausforderung für erfahrene Taucher mit passender Nervenstärke.

Die räumliche Nähe zu den USA und die preiswerten Flugverbindungen nach Europa lassen die Besucherzahlen stetig steigen. Neben Jägern und Sportfischern, den touristischen Klassikern des Landes, lockt Belize mit seinen großartigen Nationalparks immer mehr ökologisch interessierte Menschen ins Land. Die Mayaruinen und die anspruchsvollen Segelreviere vor seiner Küste sind weitere Trümpfe in einem hart umkämpften Markt.

Die Fregattvogel-Kolonie auf der Insel Man-O-War Cay

Die Männer auf den englischen Seglern nannten sie Frigate-Bird oder martialischer Man-O'-War-Hawk, und sie mochten sie. Konnten die Seeleute doch sicher sein, nach all den Tagen oder gar Wochen auf See, im Umkreis weniger hundert Kilometer auf Land zu treffen, wenn urplötzlich einer der schwarzen Vögel rastend auf der Mastspitze oder der obersten Rah ihres Schiffes saß.

Französische Biologen um Henri Weimerskirch wollten das genauer wissen. Vor der Küste Guayanas präparierten sie Fregattvögel mit Höhenmesser und Sender zur Satellitenpeilung und fanden dabei Staunenswertes: Ihre Beutezüge führten die schwarzen Flugkünstler bis zu 430 km weit über das Meer - 94 Stunden nonstop in der Luft! Segelnd nutzten sie dabei jede, selbst die schwächste Thermik, um sich bis auf 2500 Meter Höhe zu schrauben und dann im Gleitflug die Meeresoberfläche nach Fressbarem abzusuchen. Weimerskirch und seine Kollegen konnten auch nachweisen, dass in den nährstoffarmen, tropischen Gewässern die Vögel im Schnitt nur alle acht Stunden Stellen mit lohnender Beute fanden. Oft waren das Schwärme kleinerer Fische und Kopffüßler, die vor Walen und Delphinen zur Oberfläche flüchteten, oder auch Fliegende Fische, die angreifende Barrakudas aus dem Wasser scheuchten.

Ob zoologisch oder technisch gesehen, mit den schmalen, angewinkelten Flügel von 2,3 m Spannweite, dem gegabelten Schwanz und nur maximal 1,5 kg Gewicht verfügen die Fregattvögel segeltechnisch über Traummaße. Sie nutzen das bei ihren extrem Energie sparenden Patrouillen über das Meer und den blitzschnellen Manövern beim Aufgreifen der Nahrung. Erspähen sie Fressbares, stürzen sie sich mit Höchstgeschwindigkeit in die Tiefe. Nur Zentimeter über der Wasserfläche fangen sie in einer blitzschnellen Drehung den Sturzflug ab und schnappen mit dem Schnabel nach Fliegenden Fischen oder reißen die Beute aus dem Wasser. Dabei müssen die Vögel vermeiden selber nass zu werden. Ihr Gefieder ist - anders als bei den meisten Seevögeln - nur bedingt wasserfest.

Die Flugmanöver der Fische fangenden Fregattvögel wirken im Umkreis von dutzenden von Kilometern wie ein Leuchtfeuer für alles was Federn hat. Nicht nur Artgenossen wissen die Zeichen zu deuten, auch Möwen, Seeschwalben, Tropikvögel und all die anderen Gefiederten finden sich ein. Mit ihrer außerordentlich effektiven Fangtechnik sind vor allem aber die Tölpel immer dabei. Ob Braun-, Masken-, Blaufuß-, oder sonst ein Tölpel, sie stürzen sich aus freiem Flug fast senkrecht in das Wasser. Dabei verändert sich ihr Flugbild kurz vor dem Eintauchen in geradezu futuristisch anmutender Weise. Nach wenigen Tauchgängen starten die Tölpel mit vollen Kröpfen und Mägen wieder zurück zu den Nestern in den Mangroven.

Dabei ergibt sich aber noch ein Problem: Die fliegerische Überlegenheit gegenüber allen anderen Nahrungskonkurrenten eröffnet den Fregattvögeln eine weitere, sehr ergiebige Möglichkeit, Futter zu gewinnen. Sie erpressen Wegezoll. In einem regelrechten Abfangriegel vor der Küste erwarten sie die heimkehrenden Vögel, um ihnen das Futter abzujagen. Mit Schnabelhieben und waghalsigen Flugmanövern attackieren sie die Heimkehrer so lange, bis diese ihre Beute fallen lassen. Während sich die eleganten Wegelagerer wild kurvend um die Brocken balgen, versucht der Ausgeplünderte mit den ihm verbliebenen Resten zu seinem Nachwuchs im Nest durchzukommen. Ein immer noch schwieriges Unterfangen unter den scharfen Augen der Räuberbande am Himmel, vor allem wenn man die Beute im Schnabel tragen muss.

Die Tölpel haben es da etwas einfacher. Ihren Fang befördern sie im Kropf, und wenn sie genau wie alle anderen gezwungen werden den Fregattvögeln zu opfern, können die nicht ohne weiteres erkennen, ob sie auch alles bekommen haben. In einem mit aufgerissenem Schnabel würgenden Tölpel ist einfach nichts mehr drinnen, wenn nichts mehr rauskommt. Da macht es wenig Sinn ihm weiter zuzusetzen. Würgt er in seinem Nest dann doch noch etwas seinen Jungen vor die Füße, ist dieses Futter für die Fregattvögel unerreichbar. Außerhalb des Luftraumes sind die Karten neu gemischt, dort gelten andere Spielregeln und Machtverhältnisse.

Fregattvögel und Tölpel brüten oft in gemeinsamen Kolonien. Sie profitieren von einander wie der sprichwörtliche Lahme und Blinde. Die beiden Arten kompensieren die Schwächen des anderen durch herausragende eigene Fähigkeiten. Die Fregattvögel entdecken in der nährstoffarmen, tropischen Wasserwüste rasch die seltenen und kurzlebigen Stellen mit reichem Beuteangebot, und die Tölpel können in der gebotenen Eile eine größere Menge davon aus dem Wasser holen. Perfekte Zusammenarbeit konträrer Begabungen und dann auch noch der Sozialausgleich beim Heimflug - das muss doch eigentlich jedem sozial orientierten Menschen das Herz wärmen. Da spielt es dann auch keine große Rolle mehr, dass die Protagonisten ihre Nester immer sorgfältigst bewachen müssen. Ansonsten verschwindet schon mal ein Küken oder Ei im Magen des Nachbarn.


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