14. Tag - Auf der Rückfahrt nach Cancún
Prophylaxe und Insektenschutz - Mennoniten in Belize



Prophylaxe und Insektenschutz
Gestern haben sie mich erwischt, diese Mistviecher! Nach einem intensiven Wannenbad schmierte ich mich offenbar heute Morgen etwas schlampig ein. Es war eigentlich nur der linke Arm der nicht mit dem Insektenschutz präpariert war, aber den haben sie gefunden. Selber bemerkte ich von den Mücken nichts. Eine Begleiterin machte mich auf das halbe Dutzend Blutsauger aufmerksam das sich an meinem Unterarm einträchtig den Bauch voll schlug. Das Malariarisiko ist im Dschungel an der Grenze zu Mexiko nicht unerheblich und Lariamtabletten gelten als recht sichere Prophylaxe - und überhaupt die Anophelesmücken sind nachtaktiv! ... Ob die blöden Viecher aber das alles auch wissen und sich daran halten?.

Im Tropeninstitut München riet man mir als Insektenschutz das französischen Repellents "Nobite" zu nehmen. Und Nomen est Omen, wenn man von der Pustelparade absieht, die heute meinen linken Ellenbogen ziert, bekam ich tatsächlich keinen einzigen Stich oder Biss ab. Das Zeug scheint wirklich gut zu sein.

Auf meine Internet-Bestellung erhielt ich neben einer Tube mit Schutzlotion für die Haut auch 2 Sprühflaschen deren Inhalt die Kleidung insektenfest machen sollte. Zwei kurzärmelige Baumwollshirts, eine leichte Hose und das Moskitonetz für den Hut präparierte ich mir und kam damit gut über die Runden. Etwas Langärmeliges, weit Geschnittenes wäre aber sicher zweckmäßiger gewesen, vielleicht sogar mit Rollkragen oder Kapuze. Ich hätte dann nicht so viel schmieren müssen.

Fotografieren, Pflanzen bestimmen, Vögel beobachten - unsere Reisegruppe bewegte sich meist sehr langsam im Gelände. Eine solche Ansammlung schwitzender Mitteleuropäer hielt die ganze Bande von Blutsaugern wohl für exotisches Buffet im Grünen. Das penetrante Mückengesirre war jedenfalls allgegenwärtig. Bin schon angenehm überrascht, dass ich so ungeschoren davonkam. Der Schutz den die behandelte Kleidung bot, hielt bis zum letzten Tag. Er wirkte sogar noch nach einem Platzregen und der Konfrontationen mit "Rei-in-der-Tube".

Mennoniten in Belize
Schmucke Häuser ziehen vorbei, mit Hühnern und Enten auf der Wiese, Rosen an der Mauer, Gärten davor mit Blumen und Gemüse. Auf unkrautfreien Feldern Monokulturen von Bohnen, Reis, Mais, Sonnenblumen, eingestreut auch Citrusplantagen und Bananenkulturen. Später beherrschen Zuckerrohrfelder das Land. Wir sind auf einer staubigen Schlaglochpiste unterwegs von Indian Church nach Orange Walk. Mennoniten bewirtschaften diese fruchtbaren Böden zwischen New- und Hondo-River. Es sind tüchtige Landwirte und Handwerker, hart arbeitende Menschen. 1958 kamen die ersten von ihnen ins Land. Sie rodeten den Dschungel und kultivierten das Land. Viehzucht und der Ertrag ihrer Felder bilden inzwischen das Rückgrat der Lebensmittel-Versorgung Belizes. Handwerklich machen sie Furore vor allem mit der Produktion sehr schöner Innenausstattung aus heimischem Mahagoniholz. Viele Kunden im Lande, vor allem aber Engländer und US-Amerikaner schätzen die Schönheit und hohe Qualität dieser Möbel.

Die Mennoniten verstehen sich als Pazifisten. Im Grunde wollen sie nur in Ruhe gelassen werden und nach eigenen Vorstellungen und Regeln in ihren dörflichen Gemeinschaften leben. Sie verweigern sich dem technischen Fortschritt. Die Konservativsten unter ihnen verzichten auf jede Art von Motoren. Selbst industrielle Dünger, Telefon und Elektrizität sind tabu. Sie nutzen auch heute noch nur Maschinen und wissenschaftliche Errungenschaften, die Anfang des 20. Jahrhundert bereits verfügbar waren. Auch pflegen sie ihre eigene, dem Plattdeutschen sehr nahe stehende Sprache und unterhalten eigene Schulen, Banken und natürlich Kirchen. Da sie aber jede staatliche Einmischung, auch den Wehrdienst, und zum Teil selbst Steuern absolut und nicht verhandelbar ablehnen, gab es in der Vergangenheit immer wieder Probleme mit der Staatsmacht der einzelnen Gastländer.

Im 17. Jahrhundert aus Holland vertrieben, siedelten sie zunächst in Preußen später in Russland. Als sie der Zar aber entgegen den Absprachen in seine Armee stecken wollte zogen sie mit Sack und Pack nach Kanada und errichteten in Saskatchewan und Alberta autonome Kolonien. Lange Zeit lief alles nach Wunsch. Als aber im Soge des ersten Weltkriegs antideutsche Ressentiments die kanadische Regierung veranlassten, ihnen die Befreiung vom Wehrdienst zu entziehen und Englisch als alleinige Schulsprache vorzuschreiben, schnürten viele wieder ihr Bündel, um im mexikanischen Hochland einen neuen Anfang zu wagen. Aber bereits 30 Jahre später war die Volksgruppe wieder unterwegs. Sie akzeptierten nicht das Ansinnen der Mexikaner, die Neubürger mögen sich in die staatliche Sozialversicherung einreihen. 1958 kamen die ersten hierher nach Belize und etwa 5000 weitere folgten. Die britische Kolonialverwaltung nahm sie mit Handkuss auf. Eilte den Mennoniten doch der Ruf voraus, ausgezeichnete Landwirte zu sein, und gerade daran bestand im Lande allergrößter Bedarf.

Trotz 300 Jahre Irrfahrt um die halbe Welt, beachten die Menschen noch immer die Regeln und Grundsätze ihres Sektengründers, des Pfarrers Menno Simons. Aber die Odyssee hat Spuren hinterlassen. Es gab Differenzen über die Auslegung der Lehre. Gruppen spalteten sich ab. In Kanada lernten viele die englische Sprache, setzten Kunstdünger und moderne landwirtschaftliche Maschinen ein und waren damit natürlich wirtschaftlich deutlich erfolgreicher als ihre Freunde von der konservativen Fraktion. Auch hier, im Orange Walk District, zeigen viele Felder die "Handschrift" der Traktoren. Weite Landstriche werden aber noch immer nach altem Brauch bewirtschaftet.

Es war eine harte Prüfung für die Altkolonier, einer erzkonservativen Gruppe: Die Siedler kauften bei Shipyard und am Rio Bravo an der mexikanischen Grenze knapp fünfzigtausend Hektar Urwald. An der ungeheuren Herausforderung die Wildnis mit Beil und Bogensäge, Feuer und Schaufel in Kulturland zu verwandeln scheiterten Viele. Fast die Hälfte verließ den Ort wieder nach kurzer Zeit, doch Neuankömmlinge füllten die Lücken.

Inzwischen sind die Anfangsprobleme behoben. Man hat sich eingerichtet, hat sich arrangiert, ist erfolgreich. Die "Fortschrittler" mit Traktoren und Pick Ups fanden ihren Platz ebenso wie die "Konservativen" die mit ihren traditionellen Pferdewagen das Straßenbild beleben.

Das Zusammenleben in den Dörfern basiert auf einfachen Regeln, vergleichbar klösterlichen oder kommunistischen Gesellschaften. Streitigkeiten schlichtet man per Volksentscheid. Mennoniten aus aller Herren Länder werden mit offenen Armen aufgenommen. Der globale Zusammenhalt hindert sie allerdings nicht daran immer neue Splittergruppen zu bilden. Ist eben nicht so einfach, das mit der wahren Lehre sofern sie nicht von einer anerkannten Zentralmacht verwaltet wird. Aber warum soll nicht jeder nach eigener Fasson selig werden? Land ist genug da für Felder und die eigene Siedlung - und den Toleranz fördernden räumlichen Abstand zu den Andersgläubigen.


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