1. und 2. Tag - Anreise und Quito



Quito

Quito im Schnelldurchgang
Ein Kleinbus hat uns heraufgebracht zu La Virgen, der riesigen Madonnenfigur mit Engelsflügeln, die den Panecillo, einen steilen Hügel über der Stadt krönt. Quito präsentiert sich von hier oben als amorpher, dichter Gebäudebrei von ca. 4 km Breite und 12 km Länge [01]. Die Bebauung fließt förmlich in grauer Strukturlosigkeit über Hügel und Mulden, um an den Rändern ins Gelände auszufransen [02]. Geld, Fotoapparate, Wertsachen, alles im Safe, man hat uns gewarnt vor der Stadt. Sie sei gefährlich, verschiedene Bereiche verslumt, erzählte man uns im Hotel, teilweise so kriminell, dass ein Betreten Lebensgefahr bedeutet. Selbst in den guten Vierteln sei Vorsicht geboten.

Die Altstadt
Sie zählt zum Kulturerbe der Menschheit und hat sicher mehr Aufmerksamkeit verdient, als ihr eine Reisegruppe noch entgegenbringen kann, die zwar interessiert, aber geplagt von Zeitverschiebung und müde vom langen Flug dem lokalen Guide lauscht. Ein alles durchdringender, kalter Nieselregen tut das Seine um die Wahrnehmung endgültig in ein plakatives Betrachten abgleiten zu lassen. Wir bestaunen eine Placa mit Abtei, Basilika, sowie dem Regierungs- und Bischofspalast [03]. Ein weiterer Platz mit prächtigen Bauten. Auf dem hebeln zwei Buben reihum alle Gullyroste heraus und suchen in den Fangkörben nach Brauchbarem. Die Schächte bleiben einfach offen, auf einem stark belebten Platz! Aber keinen scheint's zu stören. Eine Kirche, verziert mit aufwändigsten Steinmetz- und Schnitzarbeiten, alles überzogen mit Tonnen von Gold, davor am Portal die "Folklore" der Krüppel und Bettler [04]. Schuhputzer, junge Buben mit Fingern die sich farblich den Schuhen ihrer Kunden nähern [05]. Im fragilen Schutz eines zerschlissenen Sonnenschirms verkaufen zwei Männer dicke Würste, die in einer Riesenpfanne vor sich hinköcheln. Koloniale Bürgerhäuser mit schönen, aber meist recht morbiden Fassaden. An- und Umbauten, vor allem aber die vielen offen verlegten Kabel und Drähte machen sie auch nicht gerade charmanter [06]. Immer wieder Kirchen, eine prächtiger und ehrwürdiger als die andere. An jeder Ecken versucht Irgendjemand Irgendwas zu verkaufen [07] und sei's nur Grünzeug für die Meerschweinchen.

Später bummeln wir am Hotel in kleiner Gruppe durch eine Straße mit flanierenden Menschen und Lokalen auf dem Gehsteig. Kleine Geschäfte bieten Alltags- und Touristenbedarf. In geschmackvoll dekorierten Schaufenstern locken aber auch modische Kleidung und Luxusgüter. Die gesamte Bausubstanz und auch die Straßendecke machen, gelinde gesagt, einen sehr vernachlässigten Eindruck. Das mag aber in der Philosophie wurzeln mit der man hier baut. Die Häuser werden durchaus auch in guter Qualität errichtet, aber dann verzichtet man weitgehend auf jede Reparatur und Instandhaltung. Mit dem Niedergang einer Immobilie ändert sich oft mehrfach auch deren Nutzung. Es dauert aber doch sehr lange bis sie, zur wertlosen Ruine verkommen, einem Neubau Platz machen muss. Da die angepasste Nutzung der Objekte offensichtlich über die gesamte Laufzeit gesichert ist, dürfte das System wirtschaftlich nicht zu toppen sein. Besonders ausgeprägt erscheint indes das Schutzbedürfnis. Jede Tür, jedes Fenster, jede Öffnung sichern mehrere Schlösser. Rekordverdächtig ein Schaufenster mit teurem, modischem Schnickschnack. Sechs stabile Vorhängeschlösser klammern ein massives, schwenkbares Gitter an das Gemäuer. Viel verspricht man sich offenbar auch von hochkant eingemörtelten Glasscherben. Sämtliche Mauerkronen, viele Simse und Absätze in den Fassaden, selbst die Ränder eines kleinen Regendaches über dem Eingang einer Bank erinnern an die Zahnreihen im aufgerissenen Rachen eines Haies. Allenthalben versuchen bettelnde Kindern und Indianerinnen mit dem schlafenden Säugling im Tragetuch ihr Glück.

Bei der Rückkehr zum Hotel dann der ultimative Hinweis auf das kriminelle Potential der Stadt: Vor dem Hotel steht der Vertreter eines privaten Sicherheitsdienstes mit einer Pump Gun, den Lauf schussbereit auf dem linken Unterarm, die rechte Hand an Kolben und Abzug! Ich schlafe nicht besonders, werde immer wieder kurz wach. Mal näher, mal weiter weg und in wechselnder Besetzung jaulen die Alarmanlagen ihre Hilferufe in die Nacht. Penetrant, beunruhigend, pausenlos.


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