5. Tag - Flug von Quito nach Catamayo und mit dem Bus weiter nach Loja




Am Flughafengebäude in Catamayo krakeelen einige kleine Papageien in einem Baum, dazwischen ein Rubintyrann. Sieht hübsch aus der kleine Kerl mit seinem Federschopf und der Brust in leuchtendem Rot. Wie in Quito stehen auch hier in Loja eine erhebliche Anzahl von halbfertigen, aber bewohnten Häusern in den Straßenzeilen. Es sind Betonbauten, bei denen oben meterlang Armierungseisen herausragen. Man baut soweit das Geld reicht, und wenn wieder Mittel und neuer Bedarf da sind, wird einfach ein weiteres Stockwerk draufbetoniert, und obenauf tentakeln aufs Neue die Anschlussarmierungen in den Himmel.

Das verspätete Frühstück mit folkloristischem Touch im Hotel Libertator (u.a. Polenta im Bananenblatt) versöhnt wieder mit den Unannehmlichkeiten des sehr frühen Aufbruchs in Quito. Später dann eine kurze Wanderung oberhalb der Baumgrenze im Páramo, einer klimatisch extremen, aber artenreichen Vegetationsgesellschaft, die lokal in sehr unterschiedlicher Ausprägung auftreten kann. Hier oberhalb 3.500 Meter ein gut mannshoch wachsendes, nach unten immer dichter werdendes Pflanzengewirr, das in Bodennähe mit Epiphyten, Moosen, Flechten, Stauden und Hölzern zu einer völlig undurchdringlichen Pflanzenmasse verwoben ist. An den etwas freieren Stellen gedeihen sehr schöne fremde Blumen.

Im südlichen Teil des Nationalparks Podocarpus
Auf einem Absatz in dem tief eingeschnittenen Tal drängt sich die kleine Ansammlung stabiler Gebäude mit den Laboren und Unterkünften der Stammbesatzung und den Gastforschern. Ob Springschwänze im Moder, Keimbedingungen von Urwaldbäumen oder deren jährlicher Holzzuwachs: In der Forschungsstation Estacion Cientifica San Francisco wird auf breiter, internationaler Basis der Regenwald erforscht. Uns führt ein lokaler Guide etwa drei Stunden lang durch das Untersuchungsgebiet, einen Bergprimärwald, der sich ohne menschliche Störung in die Gegenwart gerettet hat. Das Holz konnte und kann hier nicht genutzt werden. Die starke Verblockung des Baches verhindert ebenso wie die durchgehend extreme Steilheit der Hänge den Abtransport der schweren Stämme. Die üppige Vegetation in der Schlucht und anschließend im Wald am Gegenhang: Ein Kaleidoskop eindrucksvoller Bilder mit Baumfarnen, Orchideen, Blumen und riesigen Bäumen. Zurück ging es über freigespülte Wurzeln und glitschige, offene Erde. An Seilen hangeln wir uns die steilen Steigspuren hinab zum Bach und der "Affenschaukel", einem Eisengestell mit Sitzen und Rollen an einem straff über die Schlucht gespannten Tragseil. Tief unten in der Klamm tobt das Wasser um die großen Blöcke, und oben zieht man sich in dem offenen Korb mit einem umlaufenden Seil ans andere Ufer.

Außerhalb der unzugänglichen, felsigen Schluchten ist die Gegend weiträumig entwaldet. Erstaunlich, daß sich in dieser Steilheit wieder eine geschlossene Vegetation bilden und erhalten konnte. Hangrutschungen sieht man eher selten. Wenn aber mal was runterkommt, dann mit archaischer, alles verschlingender Gewalt. Ein Flickenteppich parzellierter Flächen bedeckt die Bergflanken bis zu den Gipfeln. Auf den Grasflächen weiden Ziegen und einige Rinder. Kleine Felder, mit Hauen und Ochsenpflug bewirtschaftet, sichern die Selbstversorgung der Siedler und bescheidene Erlöse auf den lokalen Märkten. Die schachbrettartig angelegten gleich großen Areale, das einheitliche Muster der verbindenden Trampelpfade zwischen den Hütten, die einheitliche Bewirtschaftung, es sieht alles irgendwie nach Reißbrett und Planung aus. Wohl ein Projekt der Landreform, mit der man den Bevölkerungsdruck der städtischen Slums zu mildern suchte. Ein wichtiges Signal und sicher ein erster, guter Schritt. Tausende verbesserten ihre Existenz in Hunger und Elend zu einem entbehrungsreichen aber selbstbestimmten Leben.

Bei einem Bevölkerungswachstum das mit 2,3% zur Weltspitze zählt, kann das Projekt aber auch nur ein erster Schritt sein. Eine fortschrittliche Bewirtschaftung des Landes und die Veredelung und Vermarktung der Produkte sollte das Potential haben, die wirtschaftliche Situation der Landbevölkerung nachhaltig zu stärken. Es ist aber auch hier wie überall auf der Welt sehr schwer, eingefahrene Strukturen zu ändern und seien sie noch so rückständig und schädlich. Den Campesinos fehlen häufig die nötigen Mittel und das Wissen, um ihre Produkte zu optimieren und die Böden nachhaltig zu nutzen. Kompostieren, düngen, Bodenpflege sind weitgehend unbekannt. Die verbreitete Brandrodung zerstört die Böden in wenigen Jahren bis zur Unfruchtbarkeit. Sie ist deshalb auch verboten, folgt aber einfachen Regeln und wird seit alters her betrieben. Die Qualität der Produkte ist schwach und findet nur lokale Akzeptanz. Die grau- und grünfleckigen Orangen auf den Märkten mögen als Beispiel dienen. Oder Kaffee, der völlig unabhängig von der Qualität der Bohnen zum Einheitspreis aufgekauft wird und im Schutze restriktiver Handelsschranken nur im Lande vermarktet werden kann. Hoffnungsvolle Ansätze wie Agrargenossenschaften zum Bearbeiten und Vermarkten der ländlichen Erzeugnisse scheitern fast regelmäßig an Geldmangel, aber auch an Fatalismus, Unbeweglichkeit und Kleinmut der Bergbewohner. Die überbordende Bevölkerungsentwicklung der tief religiösen Menschen zu dämpfen wäre Aufgabe des katholischen Klerus. Die Kirche hätte die Autorität und auch den Einfluss hier erfolgreich zu intervenieren. Die Verteufelung aller Verhütungsmaßnahmen durch den Vatikan lässt indes wenig Spielraum für Hoffnung auf Hilfe aus dieser Ecke. Aber auch den Eliten des Landes scheinen die Probleme sonst wo vorbeizugehen. Man hat sich arrangiert, macht sein Ding, kommt gut zurecht, und im allerschlimmsten Fall zettelt halt irgendwer wieder irgendeine Revolution an. Aber selbst das ließ sich ja auch immer irgendwie regeln.

Abendessen in Samora, einem kleinen Dorf am Weg. Eine Holzfassade schließt die Straßenfront, und Wellblechplatten überdachen die Baulücke. Bekocht hat uns die Wirtin aber prächtig. Mein gebratener Barsch mit Gemüse und gerösteten Süßkartoffelscheiben - einfach lecker. Ach ja die Beleuchtung: An unserem Tisch hängen in Schulterhöhe zwei lose Drähte aus der Wand. Man verhakt sie und alle Lichter gehen an.


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