6. Tag - Im nördlichen Teil des Nationalparks Podocarpus
bei Zamora



Kühles Nieselwetter. Stehparty in einem schilfgedeckten Pavillon an der Rangerstation mit Brötchen, Huhn und Apfel. Wir wanderten eine schmale Straße herauf, die für touristische Zwecke in die steile Bergflanke gegraben wurde. Bei geringer Steigung zieht sie mit prächtigem Fernblick hoch über dem Tal durch eine vielfältige Pflanzengesellschaft, die in ihrer Fremdheit erstaunt und begeistert. Vor allem die Blumen und die mit Epiphyten überladenen Bäume verführten immer wieder zum Knipsen trotz des schlechten Lichtes.

Der Regen hat nachgelassen, die Gipfel der Berge stecken aber immer noch in dicken Wolken. Ein sehr schlammiger und schwierig zu begehender Trampelpfad führt uns etwa 350 Höhenmeter durch den Bergregenwald auf eine Gratkuppe, einem Logenplatz mit fast Rundumpanorama. Unten im Wald gedeiht viel Bergbambus zwischen überwiegend niederen, oft abenteuerlich verwachsenen Bäumen. Manche davon moosumhüllt, andere mit hellen Flechten gesprenkelt, und alle zusammen besiedelt von epiphytischen Orchideen, Farnen und den allgegenwärtig Bromelien. Eine verwirrende Vielzahl an Individuen und Arten, alles triefend vor Feuchtigkeit. Und dann oberhalb der Baumgrenze, im Paramo, die nicht mehr erwartete Steigerung: Der Boden ist tief und weich, etwa wie ein mit Heidekraut bewachsener Hochmoorboden. Die Pflanzen erreichen kaum Mannshöhe und verwachsen zu einem unentwirrbaren Filz. Jede zeigt sich von ihrer besten Seite. Flechten mit lackfarbenen Thali, kniehohe Farnbäumchen drängeln ihre tiefgrünen Wedel in das Licht, eine Erika mit Büscheln zentimetergroßer roter Blüten. Kräuter, Stauden, Zwergbüsche, trotz der Enge hat jeder genau den Platz den er braucht. Die wohnen hier zusammen seit Tausenden von Jahren. Wirkliche Primärvegetation. Ich fühle mich plötzlich sehr fremd, ungebeten und aufdringlich, gehe vorsichtig zurück auf den Pfad, möchte nirgends mehr draufsteigen.


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