19. Tag - Galapagos
Isla Española (Hood) und am Nachmittag die Isla Santa Fé



Isla Española (Hood)
Wie bei allen anderen Ausflügen sind wir auch auf Hood nur wenige Stunden unterwegs. Es soll nichts zurückbleiben, keine Zigarettenasche, und eben auch nichts von alledem, wovon man sich auf langen Wanderungen schon mal hinter einem Busch entledigt. Aber was waren das für Stunden! Alle paar Schritte einzelne oder Gruppen dieser seltsamen Tiere mit ihrem befremdenden Desinteresse an Besuchern: Sandkrabben beäugen uns, und die großen bunten Klippenkrabben denen wir gestern auf San Cristóbal zuschauten turnen auch hier über die Blöcke in der Brandung. Tropikvögel, Tölpel und Möwen tanzen in wilden Segelmanövern vor turmhohen Klippen an denen eine wirklich ungeheure Brandung das Wasser duzende von Metern hochpeitscht. Aus einem schmalen Spalt schießt bei jedem Wellenschlag eine Gischtsäule senkrecht hoch und verweht als Regenbogen im Wind. Rings auf den Steinen dösende Tölpel und die Roten Meeresleguane. Die Echsen weiden in der Gezeitenzone und auch unter Wasser die Algenteppiche von den Lavafelsen. Sie bleiben dabei bis zu einer halben Stunde unter Wasser und erreichen Tauchtiefen von 15 Metern. Den starken Wärmeverlust müssen die wechselwarmen Tiere wieder ausgleichen. In stundenlangen Sonnenbädern an Land bringen sie sich auf „Betriebstemperatur“.

Die Albatrosse
Ein größeres, fast ebenes Blockfeld mit dürrem Gras zwischen den kantigen Steinen. Hier treffen sie sich alle Jahre wieder aus Entfernungen die schon mal tausend Kilometer und mehr sein können, legen ein Ei und ziehen das Junge groß. Die Paare benützen dabei immer exakt die selben Stelle wie all' die Jahre davor. Als sich GI's in den Vierziger-Jahren am Midway-Atoll auf Albatrosgelände eine Kapelle bauten, brütete im folgenden Herbst ein Vogel ungerührt mitten im Gebäude, exakt an der Stelle an der er schon immer sein Junges versorgte.

Es sind schon welche angekommen, einzelne und auch Paare. Sie sitzen einfach da und schauen, oder putzen im Gefieder herum. Trifft der Partner ein, begrüßen sich die Beiden mit einem oft stundenlangen, fassettenreichen Ritual: Immer neue Posen, neue Rufe, neue Varianten. Als etwa achtjährige Jungvögel übten sie das Spiel in tagelangen Wiederholungen ein und schlossen dann, als die ganze Choreografie passte, den Bund fürs Leben. Die Scheidungsrate soll gegen Null tendieren - Kunststück, wenn die sich nur einmal im Jahr treffen, ihren Spaß haben und dann jeder wieder seiner Wege geht, oder wohl besser gesagt fliegt. Denn fliegen können sie! Die großen Vögel zaubern in die Stürme der südlichen Hemisphäre einen Segelflug, der in der zoologischen und technischen Fliegerei seinesgleichen sucht. Nur Zentimeter über der Gischt, die wechselnden Luftströmungen an den Flanken der Wellen nutzend, fegen die Vögel mit bis zu 100 Stundenkilometern über das Wasser, virtuos abtauchend unter die schäumenden Kämme um im nächsten Augenblick mit atemloser Eleganz ohne einen Flügelschlag hoch in den Wind zu schießen. Segelfliegerei in diesem Leistungsbereich verlangt aber ein schmales Flügelprofil. Langsames Gleiten ist damit unmöglich. Unterschreitet der Vogel eine Minimalgeschwindigkeit von etwa 60 km/h, reißt der Luftstrom an den Flügeln und er stürzt ab. Auf dem Wasser ein kompensierbares Handicap. Zur Fortpflanzung müssen die Albatrosse aber an Land, und hier fordern die flugtechnischen Zwänge gnadenlos Tribut. Selbst auf ebenem Terrain gelingen kaum Landungen ohne hartem Aufprall und halsbrecherischen Überschlägen. Die Vögel schaffen es nicht die hohe Anflug-Geschwindigkeit abzulaufen. Ihre Entenfüße knicken rasch weg und der stolze Weltenwanderer knallt wuchtig mit dem Schnabel ins Gelände.

Schwer vorstellbar, dass die Vögel hier in den Blockfeldern landen können ohne sich alle Knochen zu brechen. Aber auch in der Umgebung findet sich kein passender Airport, nur verblockte Flächen, mit und ohne Büsche. Vielleicht kennen die aber auch den Trick ihrer Freunde von den Falklandinseln, landen vorne auf der Klippe und gehen das Stück zu Fuß. Auf den Inseln im Südatlantik fliegt die dort brütende Verwandtschaft mit hoher Geschwindigkeit knapp über dem Meeresspiegel an, zieht unmittelbar vor den Klippen steil hoch und setzt oben mit minimaler Geschwindigkeit problemlos auf. Die fliegen eine Wurfparabel und legen den Touch down exakt in deren Scheitelpunkt. Ich weiß nicht ob das hier auch so läuft - der Ranger hätte es gewusst - hätte fragen sollen.

Isla Santa Fé
Eine Gruppe Delphine von etwa 30 Tieren, zieht mit eleganten Sprüngen am Schiff vorbei. Das Meer ist ruhig und ich genieße die Fahrt ganz oben an der Reling des Sonnendecks, bei den Liegestühlen mit den Holländern. Die liegen in der prallen Sonne wie die Leguane auf der Insel - sind vielleicht sind sie Fans von heißen (Sonnenbrand-) Nächten? Gegen 15 Uhr fallen die Anker vor Santa Fé, bei den Landleguanen. Die gingen als Inkarnation des Phlegmas glatt durch. Einer liegt mitten am Weg. Wir können der Reihe nach drübersteigen oder darum herum gehen, der zuckt nicht einmal mit den Augenlidern. Und doch war es, folgt man einer Theorie, ausgerechnet der evolutionäre Druck dieser Stoiker, der der Insel eine Attraktion bescherte: Die Küste der von Besuchern bevorzugten Landebucht an der Nordostecke säumen bis zu sechs Meter hohe Opuntienbäume mit ihren oft meterdicken Stämmen. Wie anderorts die großen Schildkröten fressen hier die Leguane besonders gerne junge Triebe und Blüten dieser Feigenkakteen. Die Jungpflanzen wehren sich mit einem dichten Stachelpelz, dessen Beschattung aber die Pflanzen bei der Photosynthese behindert. Mit zunehmendem Alter gehen zunächst die Stacheln der Stämme mehr und mehr verloren und es bildet sich eine sehr glatte Rindenschicht die von den Echsen nicht beklettert werden kann. Die grünen Segmente in den Baumkronen leisten sich dann wieder locker angeordnete Stachelnester: das weltweite Standart-Outfit der Opuntien. Die enorme Höhe der Stämme ist mit dem Fressdruck alleine nicht erklärbar, da würden zwei, drei Meter auch reichen. Der große Lichtbedarf der Kakteen dürfte hier als weiterer Selektionsfaktor wirken.


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